Notwendige Anpassungen

Der Steuergesetzgeber nimmt mit dem Jahressteuergesetz 2022 fällige Anpassungen an EU-Recht und in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesfinanzhofs diverse Gesetzesänderungen vor. Darüber hinaus besteht nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums ein Erfordernis zur Umsetzung eines unvermeidlich entstandenen technischen Regelungsbedarfs betreffend Verfahrens- und Zuständigkeitsfragen, Folgeänderungen sowie Anpassungen aufgrund von vorangegangenen Gesetzesänderungen und Fehlerkorrekturen.

Wesentliche Änderungen

Die im Gesetzentwurf enthaltenen wesentlichen Änderungen sind:

  • Abschaffung der Möglichkeit, Gebäudeabschreibungen nach der tatsächlichen Nutzungsdauer vornehmen zu können (gilt ab 2023). Dafür ist die Anhebung des linearen AfA-Satzes für die Abschreibung von Wohngebäuden von 2 % auf 3 % ab dem Jahr 2024 vorgesehen (§ 7 Abs. 4 Einkommensteuergesetz/EStG-E).
  • Der vollständige Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen soll bereits ab 2023, nicht wie vorgesehen erst ab 2025 möglich sein (§ 10 Abs. 3 Satz 6 EStG).
  • Erhöhung des Sparer-Pauschbetrags von bisher € 801,00 bzw. € 1.602,00 bei Zusammenveranlagung auf € 1.000,00 bzw. € 2.000,00 (§ 20 Absatz 9 EStG-E). Die höheren Pauschbeträge sollen bereits rückwirkend ab 2022 gelten.
  • Ehegattenübergreifende Verlustverrechnung: Nach BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 23.11.2021 VIII R 22/18) konnten im Rahmen der Abgeltungsbesteuerung Verluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen eines Ehegatten nicht mit Gewinnen aus Kapitaleinkünften des anderen Ehegatten im Rahmen der Zusammenveranlagung ausgeglichen werden. Mit dem JStG 2022 soll eine entsprechende Rechtsgrundlage für einen Verlustausgleich unter Ehegatten geschaffen werden. Die Neuregelung soll rückwirkend zum 1.1.2022 gelten.
  • Anhebung des Ausbildungsfreibetrags i.S. § 33a EStG von bisher € 924,00 auf € 1.200,00 ab 2023.
  • Rückwirkend ab 2021 soll der Grundrentenzuschlag, das ist der Betrag der Rente, der auf Grund des Grundrentenzuschlags geleistet wird, steuerfrei gestellt werden.

Stand: 27. September 2022

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Verfassungsprüfung

Kapitalanleger mussten seit März dieses Jahres um die im Vergleich zum progressiven Einkommensteuertarif günstigeren Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen mit dem Abgeltungssteuersatz von 25 % zittern. Denn der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) hielt die Abgeltungsbesteuerung der Kapitaleinkünfte in der gegenwärtigen Form für mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Der Senat hat daher das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen (Vorlagebeschluss FG Niedersachsen vom 18.3.2022, 7 K 120/21).

Aufhebung

Nun kommt die Entwarnung. Denn das FG Niedersachsen hat seinen Vorlagebeschluss an das BVerfG zurückgezogen. Grund hierfür ist, dass die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärten (FG Niedersachsen, Beschluss vom 10.8.2022, 7 K 120/21). Damit ist die Verfassungsprüfung der Abgeltungsteuer zunächst vom Tisch.

Ausblick

In naher Zukunft könnten allerdings andere Gerichte die Abgeltungsbesteuerung wieder aufgreifen. Unzweifelhaft führt die Abgeltungsteuer zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte und den übrigen Steuerpflichtigen. Der ursprüngliche Grund für die gemilderte Besteuerung der Kapitaleinkünfte ist ebenfalls durch Einführung des automatischen Informationsaustauschs über Finanzkonten weggefallen.

Stand: 27. September 2022

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Kalte Progression

Der Steuergesetzgeber will 48 Millionen Steuerpflichtige, darunter Arbeitnehmer, Selbstständige, Rentner, Unternehmer usw. steuerlich entlasten. Dies soll durch einen Ausgleich der sogenannten „kalten Progression“ erfolgen. Unter einer „kalten Progression“ versteht man die Steuermehrbelastung, verursacht durch eine Nichtanpassung oder einer zu geringen Anpassung des progressiven Steuertarifs an die aktuellen Inflationsraten. Inflationsbedingte Lohnerhöhungen werden so durch höhere Steuern im Regelfall aufgefressen. So wäre der reale Lohnzuwachs von 5 % bei einer Preissteigerungsrate von 5 % und einer progressionsbedingten Steuermehrbelastung von beispielsweise 2 % negativ.

Geplante Maßnahmen

Das Eckpunktepapier des Bundesfinanzministeriums für ein Inflationsausgleichsgesetz sieht u. a. folgende Maßnahmen vor:

Grundfreibetrag: Der Grundfreibetrag soll zum 1.1.2023 von gegenwärtig € 10.347,00 auf € 10.632,00 angehoben werden. Für 2024 ist eine weitere Anhebung um € 300,00 auf € 10.932,00 geplant.

Tarifeckwerte: Die Tarifeckwerte sollen nach rechts verschoben werden. Der Spitzensteuersatz von 42 % soll 2023 erst ab einem zu versteuernden Einkommen von € 61.972,00 statt bisher bei € 58.597,00 greifen. In 2024 ist der Spitzensteuersatz nach dem Gesetzentwurf erst ab einem zu versteuernden Einkommen von € 63.515,00 zu zahlen. Ausgenommen von der Anpassung der Tarifeckwerte sind Einkommensbezieher ab € 277.836,00 (Reichensteuer).

Unterhaltshöchstbeträge: Analog zur Erhöhung der Grundfreibeträge ist eine Erhöhung der Unterhaltshöchstbeträge bereits für den Veranlagungszeitraum 2022 vorgesehen, und zwar von € 9.984,00 auf € 10.347,00. Weitere Anhebungen sollen automatisiert erfolgen.

Kinderfreibetrag, Kindergeld

Der Kinderfreibetrag soll bis 2024 schrittweise für jeden Elternteil um insgesamt € 264,00 erhöht werden, bis er zum 1.1.2024 bei € 2.994,00 liegt. Auch das Kindergeld soll in 2023/2024 erhöht werden. Ab 2024 beträgt das Kindergeld voraussichtlich € 233,00 für das erste, zweite und dritte Kind sowie € 250,00 für das vierte und weitere Kind.

Stand: 27. September 2022

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Fremdvergleichsgrundsatz

Der durch das Außensteuergesetz/AStG geprägte Fremdvergleichsgrundsatz (auch „Arm´s-Length-Prinzip“ genannt) erfordert, dass bei der Gewinnermittlung von Betriebsstätten Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise), zugrunde gelegt werden, die unter voneinander unabhängigen Dritten unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart werden. Geschieht dies nicht, müssen die Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so gesetzt werden, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären (§ 1 Abs 1 AStG).

Neue Funktionsverlagerungsverordnung

Zentraler Anwendungspunkt des Fremdvergleichsgrundsatzes sind Funktionsverlagerungen. Hierzu wurde das Bundesministerium der Finanzen in § 1 Absatz 6 AStG ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, in der die Einzelheiten zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes geregelt werden. Das BMF hat hierzu kürzlich am 5.7.2022 den Referentenentwurf für eine Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes veröffentlicht (Funktionsverlagerungsverordnung/FVerlV).

Keine Verschärfungen

Gemäß dem Referentenentwurf (Teil B) sind keine Verschärfungen für Steuerpflichtige zu erwarten. Denn die überarbeitete Verordnung soll „nicht über die bisherige hinaus“ gehen, sondern die Regelungen in Abgrenzung zum Gesetz neu ordnen.

Stand: 27. September 2022

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DAC 7 Richtlinie

Die Bundesregierung hat am 24.8.2022 das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie/EU 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrens“ beschlossen. Neben diversen Änderungsvorschriften für das EU-Amtshilfegesetz verschärft der Gesetzentwurf, insbesondere die Mitwirkungspflichten der Steuerbürger.

Neuer § 200a Abgabenordnung/AO

Besonders für Unternehmer dürfte die Einführung eines neuen Sanktionssystems (§ 200a AO) wenig erfreulich sein. Dieses soll speziell bei Außenprüfungen Anwendung finden. Die Vorschrift sieht vor, Steuerpflichtige zur Mitwirkung in einem schriftlich oder elektronisch zu erteilenden Mitwirkungsverlangen aufzufordern, ohne dass dies einer Begründung bedarf (qualifiziertes Mitwirkungsverlangen). Wird dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen nicht oder nicht vollständig entsprochen, kann die Finanzverwaltung ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festsetzen. 

Stand: 27. September 2022

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Säumniszuschläge

Wird eine Steuer nicht fristgerecht entrichtet (es gilt eine Karenzfrist von 3 Tagen), ist für jeden angefangenen Monat des Zahlungsverzugs ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abgabenordnung/AO).

BFH-Beschluss

Der Bundesfinanzhof/BFH hat jetzt ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen geäußert. Dies gilt zumindest, soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind (BFH, Beschluss vom 23.5.2022, V B 4/22, Anschluss an BFH Beschluss vom 31.8.2021 VII B 69/21). Der BFH begründet seine Zweifel mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Vollverzinsung von Steueransprüchen (Beschluss vom 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17). Das BVerfG hat in dem Beschluss die Höhe der Verzugszinsen von 0,5 % pro Monat (6 % im Jahr) für verfassungswidrig erklärt, soweit diese nach dem 31.12.2018 erhoben werden. Nach Auffassung des BFH sind die Säumniszuschläge der niedrigeren Vollverzinsung entsprechend anzupassen.

Fazit

Sofern die Finanzverwaltung die Säumniszuschläge nicht von Amts wegen bis zum Inkrafttreten einer verfassungskonformen Regelung aussetzt, sollte gegen Säumniszuschläge unter Berufung auf o. g. Vorlagebeschluss (V B 4/22) Einspruch erhoben werden.

Stand: 27. September 2022

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Pauschalbewertung

Für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte mit einem unentgeltlich überlassenen Betriebs-Pkw muss der Arbeitgeber 0,03 % des Listenpreises des Pkw für jeden Entfernungskilometer als geldwerten Vorteil der Lohnsteuer unterwerfen (§ 8 Abs. 2 Satz 3 Einkommensteuergesetz/EStG). Diese Pauschalbewertung kommt zur pauschalen 1-%-Regelung für die private Nutzung des Pkw hinzu. Der Pauschalsatz unterstellt 180 Fahrten im Jahr. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer diese Anzahl der Fahrten auch tatsächlich durchführt.

Einzelbewertung

Erklärt der Arbeitnehmer schriftlich, an welchen Tagen (mit Datumsangabe) er das betriebliche Kraftfahrzeug tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt hat, kann alternativ auch eine Einzelbewertung erfolgen. In diesem Fall können alternativ 0,002 % des Listenpreises je Entfernungskilometer für höchstens 180 Tage im Jahr versteuert werden. Eine Einzelbewertung lohnt, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte an weniger als 180 Tagen im Jahr aufsucht.

Unterjähriger Wechsel

Bislang erkannte die Finanzverwaltung einen unterjährigen Wechsel von der Pauschalbewertung zur Einzelbewertung nicht an. Das änderte sich mit dem BMF-Schreiben vom 3.3.2022 (IV C 5 – S 2334/21/10004 :001 BStBl 2022 I S. 232). Nach Tz.13 Buchst. f ist eine „rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs (Wechsel von der 0,03-%-Regelung zur Einzelbewertung oder umgekehrt für das gesamte Kalenderjahr) … im laufenden Kalenderjahr und vor Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung jedoch grundsätzlich … möglich“. Der Arbeitnehmer kann auch „einheitlich für alle ihm überlassenen betrieblichen Kraftfahrzeuge“ im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das gesamte Kalenderjahr zur Einzelbewertung wechseln (BMF-Schreiben Tz. 13 Buchst. g).

Stand: 27. September 2022

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